In der Nische mit 27.000 PS
So etwas wie eine Lobby gibt es gar nicht. Der Weg in die Firmenzentrale führt über den Hof, über enge Treppen und durch schwere Türen in einen verwinkelten Backsteinbau, der schon zu Wirtschaftswunderzeiten hier, mitten in Berlin, stand. Hier riecht es nach Industrie, und die Wände können Geschichten aus längst vergangener Zeit erzählen. Schnickschnack brauchen sie bei Menzel Elektromotoren nicht.
Dabei hätten sie durchaus Gründe, selbstbewusst aufzutreten. Die Industrie-Antriebe aus Moabit brummen und summen schließlich auf allen Kontinenten, seit mehr als 90 Jahren. Weltwirtschaftskrise, Weltkrieg, Demontage, Mauerbau – all das hat die Firma überstanden. „Unsere Produkte sind im Prinzip seit Jahren kaum verändert, genauso wie unser Geschäftsmodell“, sagt Mathis Menzel. „Aber es funktioniert – heute besser denn je.“ Er führt den Betrieb in dritter Generation, mit mittlerweile 40 Millionen Euro Umsatz im Jahr.
Die Motoren, die hier gewickelt, geschweißt, lackiert und montiert werden, müssen eine Weile laufen. Und zwar dort, wo Staub und Dreck in der Luft hängen – in Zementmühlen, Minen, Papierfabriken und Kraftwerken. „Was nicht mindestens 15 Jahre im Dauerbetrieb aushält, taugt nichts“, urteilt Ingenieur Menzel streng.
Was die Werkshallen verlässt, ist in der Regel schwer und stark. Menzel-Motoren leisten in der Spitze bis zu 27.000 PS und wiegen bis zu 40 Tonnen. Aktuell plant Menzel Motoren mit 80 Tonnen Stückgewicht. Fast alles entsteht in Handarbeit, Roboter gibt es hier nicht. Ist das nicht zu teuer? „Der Preis spielt für unsere Kunden nicht die zentrale Rolle“, sagt Menzel beim Rundgang durch die Hallen. „Bei einem Zementwerk für 70 Millionen Euro fallen die Kosten für einen Menzel- Motor kaum ins Gewicht.“
Wer bei den Berlinern kauft, will etwas anderes: prompten Service, auch am Wochenende und an Feiertagen. Streikt irgendwo auf der Welt ein Motor, stockt oft eine ganze Produktion. Mitunter steht dann nicht nur Geld auf dem Spiel. In Kuba fiel unlängst ein Verdichter aus, mit dem Sauerstoff für die Krankenhäuser auf der Insel hergestellt wird. Man wählte die Notruf-Nummer von Menzel, der prompt passenden Ersatz anbieten konnte. Binnen nur sieben Tagen wurde das Sechs-Tonnen-Gerät angepasst, für den Transport im Flugzeug demontiert, in Kuba wieder zusammengeschraubt und in Betrieb genommen.
Das funktioniert nur, weil Menzel sich ein umfangreiches Lager leistet. Dort stehen Antriebe im Wert von vielen Millionen Euro parat. Was nicht vorrätig ist, wird auf Kundenwunsch angefertigt. „Konzerne wie Siemens oder ABB sind im Massengeschäft unterwegs. Wir machen Sonderanfertigungen – das ist unsere Nische“, sagt Menzel.
Um die Produktpalette zu erweitern und noch mehr Service anbieten zu können, hat er in den vergangenen Jahren zwei Betriebe aus Niedersachsen übernommen. 50 Leute können weltweit im Servicebereich eingesetzt werden. Insgesamt zählen nun 230 Menschen zur Belegschaft. Die Suche nach fähigem Nachwuchs ist allerdings nicht einfach.