Wie das neue Gesetz die Kosten treibt - und wie die Unternehmen darauf reagieren.
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bringt erhebliche Kosten und Bürokratiebelastungen für Unternehmen
Das im Januar 2023 in Kraft getretene deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hat in nur fünf Monaten sämtliche Befürchtungen der betroffenen Unternehmen übertroffen. Das ergab eine bundesweite Befragung von Gesamtmetall unter den Mitgliedsunternehmen der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie (M+E-Industrie).
Danach sind große Unternehmen (mehr als 1.000 Mitarbeiter) zu 96 Prozent unmittelbar oder mittelbar von dem Gesetz betroffen – obwohl das Gesetz dem Wortlaut nach derzeit nur für Unternehmen ab 3.000 Mitarbeiter gilt. Und sogar kleine (bis 249 Mitarbeiter) und mittelständische (250 bis 999 Mitarbeiter) Unternehmen sind es zu 70 bzw. 86 Prozent, weil deren Kunden beispielsweise entsprechende Nachweise verlangen.
Ein Gesetz mit 69.000 Euro Zusatzkosten im Jahr
Der notwendige Aufwand wird als ausgesprochen hoch empfunden. Und neben dem bürokratischem Aufwand entstehen erhebliche zusätzliche Kosten: Mittelständische Unternehmen rechnen mit rund 69.000 Euro im Jahr und selbst kleine Unternehmen haben knapp 30.000 Euro Kosten im Jahr. Diese Kosten entstehen vor allem dadurch, dass für die Bürokratie zusätzliches Personal eingestellt werden musste bzw. mehr Geld für externe Dienstleister und den nochmaligen Ausbau des Compliance-Bereiches ausgegeben werden musste.
Dies steht in Gegensatz zu den Beschwichtigungen der Bundesregierung, die im Gesetzgebungsverfahren keinerlei Kosten für die Unternehmen kommen sah und die nach wie vor erklärt, das Gesetz betreffe nur 900 Unternehmen in Deutschland.
„Es sind nun so ziemlich alle Folgen zu sehen, vor denen Unternehmen und Verbände im Vorfeld massiv gewarnt haben“, sagte Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf. „Vielleicht versteht die Bundesregierung nun, dass Unternehmen von der betrieblichen Praxis mehr verstehen als Abmahnvereine und Zertifikatehändler. Das sollte insbesondere auch Brüssel eine Warnung sein, wo mit den gleichen Beschwichtigungen eine weitere Lieferkettenregulierung beschönigt wird.“ Heute stimmt das Europäische Parlament über das europäische Lieferkettengesetz ab.
Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz der Firmen leiden
Als Folgen des Gesetzes geben fast zwei Drittel (64 Prozent) aller betroffenen Unternehmen eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit an. Rund 13 Prozent hat sich bereits aus einzelnen Ländern zurückgezogen bzw. plant dies zu tun. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der betroffenen Unternehmen stellt eine Schwächung der Resilienz/Diversifizierung ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten fest. Und überdies trägt das Gesetz zur Inflation bei – ein Viertel aller Unternehmen hat die Produktpreise erhöhen müssen.
„Die Industrie mit Bürokratie und Kosten belasten, Personalumschichtung von Produktion zu Formularen und staatlich getriebene Preiserhöhungen – wenn das die Antworten Deutschlands und Europas auf Krieg, Klimawandel und Standortwettbewerb sind, dann gute Nacht“, so Dr. Wolf weiter.
An der Umfrage haben im Zeitraum vom 10. bis 26. Mai 2023 684 Unternehmen der M+E-Industrie mit 696.000 Beschäftigten teilgenommen. Das sind rund 10 Prozent aller in den Mitgliedsverbänden von Gesamtmetall organisierten Unternehmen mit 31 Prozent aller Beschäftigten in den Mitgliedsunternehmen bzw. knapp 20 Prozent aller Beschäftigten in der M+E-Industrie