
Ludwigsfelde liefert
Mit Wandel kennen sie sich aus in Ludwigsfelde. Roller, Motoren für Flugzeuge und für Rennboote sind über die Jahrzehnte an dem Standort südlich von Berlin schon entstanden. Im Jahr 1990 musste das Nutzfahrzeuge-Werk den Umstieg von veralteten DDR-Fabrikaten zu modernen Mercedes-Benz-Lastwagen stemmen. Jetzt steht wieder eine Zeitenwende an – der allmähliche Abschied vom Verbrennungsmotor und der Start ins Zeitalter der Elektromobilität.
„Wir gehen davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Nachfrage nach elektrischen Transportern überwiegt“, sagte Dr. Markus Keicher, der Leiter des Mercedes-Benz-Werks Ludwigsfelde, im Gespräch mit dem M+E-Report. „Daher baut Mercedes-Benz Vans die Kapazitäten zum Bau der elektrischen Modelle unter anderem hier am Standort auf.“ Gerade im innerstädtischen Lieferverkehr werde das emissionsfreie Fahren immer wichtiger. „Die Zukunft des Verkehrs, besonders im städtischen Bereich und im Lieferverkehr, ist elektrisch“, urteilte der Werkleiter.

Die nächste Version des Sprinters wird es darum auch mit elektrischem Antrieb geben. 2023 soll die Serienproduktion des neuen Modells auf Basis der Electric Versatility Platform starten. Dafür will das Unternehmen 50 Millionen Euro investieren. Auf demselben Band wird auch die konventionell angetriebene Variante des Transporters hergestellt. „Das gibt uns eine maximale Flexibilität in der Produktion und wir können sehr genau auf die Marktanforderungen reagieren“, erklärte Dr. Keicher zur Begründung.
Nicht nur die Fahrzeuge selbst, auch ihre Herstellung soll in Zukunft ohne Kohlendioxid-Ausstoß auskommen, plant das Unternehmen. „Wir werden schon 2022 vollkommen CO2-neutral produzieren und weiter an den unterschiedlichsten Themen arbeiten“, versicherte Dr. Keicher gegenüber dem M+E-Report. „Nachhaltigkeit ist ein Grundprinzip für unser Unternehmen und fester Bestandteil unserer Strategie.“

Sparen beim Licht und beim Lackieren
Zum Einsatz kommt deshalb ab dem kommenden Jahr im Werk nur noch Grünstrom. In den vergangenen Jahren habe Mercedes-Benz weitere Maßnahmen ergriffen, um CO2 einzusparen, sagte der Werkschef. Als Beispiele nennt er den Einsatz von LED-Licht bei der Hallenbeleuchtung, was „riesige Mengen an Strom“ spare. Auch die Umstellung der Lackieranlage helfe der Umwelt, heute brauche man wesentlich weniger Wasser und Lacke in dem Werk.In wirtschaftlicher Hinsicht geht es den Ludwigsfeldern aktuell so gut wie lange nicht. Die Corona-Krise hat die Produktion im Frühjahr 2020 nur für kurze Zeit gestoppt.
Auch als Folge der Pandemie sind die Sprinter stark nachgefragt. Dr. Keicher nennt als Grund vor allem die Beliebtheit des offenen Baumusters des Sprinter, das als Grundfahrzeug für verschiedene Aufbauvarianten gerade jetzt gebraucht werde. „Sei es als Kühltransporter, als Pritsche oder auch als Wohnmobil – die sind momentan ja sehr begehrt.“

Drei Schichten als Dauerlösung
Seit Ostern arbeiten die gut 2.000 Beschäftigten in Ludwigsfelde daher im Drei-Schicht-Betrieb. Dies soll vorerst so bleiben. „Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage auch weiterhin hoch bleiben wird und werden daher bis auf weiteres drei Schichten fahren.“ Mehr Elektromobilität und hohe Nachfrage – das hat eine Bedeutung über Mercedes-Benz hinaus. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sieht durch den Strukturwandel das Profil des Landes „deutlich geschärft“. Als Beleg führt er die Pläne für den Elektro-Sprinter, aber auch die Investitionen des Batteriebauers Microvast in Ludwigsfelde oder die Batterie-Aktivitäten von BASF in Schwarzheide an. Und natürlich die Tesla-Ansiedlung in Grünheide. Konkret will Mercedes-Mann Dr. Keicher zur Entscheidung des Wettbewerbers zwar nichts sagen. „Eine Bereicherung“ sei die Ansiedlung eines weiteren Unternehmens aus der Autobranche, findet er. „Was die Region stärkt, ist auch für uns als Unternehmen positiv.“
Der Sprinter
Ludwigsfelde ist auf große Transporter spezialisiert. Seit 2006 läuft hier der Sprinter vom Band. Rund 2.000 Menschen produzieren ihn dort, damit ist der Standort einer der größten industriellen Arbeitgeber in Brandenburg. In mehr als 130 Ländern fährt der Sprinter heute, seit seiner Einführung wurden bereits 3,6 Millionen Exemplare gebaut. Neben Ludwigsfelde bauen auch die Mercedes-Benz-Werke Düsseldorf und Charleston/South Carolina den Sprinter.