09.08.22Berlin

Noch nie war die Lage so unruhig

Teure Energie, Lieferketten, Corona: Die M+E-Betriebe stehen vor der Tarifrunde 2022 vor historischen Problemen

So widersprüchlich war die Lage in der Metall- und Elektroindustrie vor Beginn einer Tarifrunde schon lange nicht mehr. Auf der einen Seite melden viele Unternehmen volle Auftragsbücher. Auf der anderen Seite war es noch nie so schwierig, die Aufträge abzuarbeiten.

Material zu Mondpreisen

Die nötigen Rohstoffe und Vorprodukte sind angesichts der weltweit angespannten Lieferketten nur schwer zu bekommen – und wenn doch, dann nur zu Mondpreisen. Die Folge: Trotz der vielen Bestellungen geraten die Renditen immer mehr unter Druck.

Das ist für die Metall- und Elektroindustrie längst nicht das einzige Problem. Die Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg, die Folgen der noch nicht ausgestandenen Corona-Pandemie und die Nachwirkungen der vergangenen vier Jahre, in denen das Geschäft der Branche insgesamt geschrumpft ist, lasten schwer auf den Firmen. Die größte Bedrohung ist allerdings, dass Russland seine Gaslieferungen nach Westeuropa weiter zurückfährt oder ganz einstellt.

Krisen überlagern einander

„Unsere Unternehmen stehen aktuell so stark unter Druck wie seit vielen Jahren nicht“, sagt Christian Amsinck, der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg (VME). „Viele Krisen überlagern und verstärken sich wechselseitig. Im Moment müssen wir mit allem rechnen – auch mit einem Stopp der Produktion in vielen Bereichen, mit dauerhaften Schäden und mit einer Rezession.“

In dieser Situation fordert die IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen bis zu acht Prozent mehr Lohn für die anstehende Tarifrunde, die im September beginnt. Die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie halten diese Marke für unangemessen. „Ein solcher Anstieg würde die Betriebe völlig überfordern und zahlreiche Arbeitsplätze gefährden“, warnt Amsinck. „Deshalb ist die Forderung fern der Realität und erst recht kein Beitrag zur Lösung der aktuellen Schwierigkeiten.“ Zumal niemand wisse, wie sich die wirtschaftliche und politische Situation in den kommenden Monaten entwickeln werde. "Die IG Metall ist blind geworden für Wirklichkeit in der Branche", urteilte Gesamtmetall-Präsident Dr. Stefan Wolf.

Gefahr für zahlreiche Jobs

Die Arbeitgeber sorgen sich, dass übermäßige Tarifsteigerungen zu einer gefährlichen Lohn-Preis-Spirale führen könnten. Das würde dazu führen, dass sich die hohe Inflation festsetzt und weiter beschleunigt. Hinzu kommt, dass die Betriebe kaum Spielraum sehen, einen Ausgleich für die gestiegenen Kosten zu bekommen. Nur eines von hundert Unternehmen glaubt einer Umfrage des VME-Dachverbands Gesamtmetall zufolge, die gestiegenen Kosten vollständig an die Kunden weitergeben zu können. Zwanzig von hundert Betrieben sehen angesichts der aktuellen Lage sogar eine wirtschaftliche Gefahr für das eigene Unternehmen.

Strukturwandel verlangt Firmen alles ab

In der Debatte um Löhne, Krieg und Kosten gerät zudem aus dem Blickfeld, dass die Metall- und Elektroindustrie ohnehin ein hartes Stück Arbeit vor sich hat. Der Strukturwandel mit den Mega-Themen Digitalisierung und Dekarbonisierung verlangt vollen Einsatz. „Hier sind hohe Investitionen in technologisches Know-how gefragt“, sagt VME-Hauptgeschäftsführer Amsinck. „Das Geld, das die Firmen hier einsetzen, müssen sie erst einmal verdienen. Das ist eine riesige Herausforderung.“

Am Personal hat die Branche derweil nicht gespart: Seit 2018 haben die Beschäftigten über neun Prozent mehr Geld bekommen, während die Produktion um 15 Prozent gesunken ist. Die Reserven sind, vor allem wegen der Pandemie, in vielen Firmen also aufgebraucht.

Das alles zeigt, dass nun Realitätssinn gefragt ist, sagt VME-Hauptgeschäftsführer Amsinck. „Unternehmen und Beschäftigte müssen nun an einem Strang ziehen. Zusammen nach vorn – das ist deshalb unser Motto für diese Tarifrunde.“

M+E-Report 2/2022

Dieser Text stammt aus dem M+E-Report 2/2022. Hier finden Sie die gesamte Ausgabe zum Download.

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