2015
Licht- und Schattenseiten
Vor dem Hintergrund der länger anhaltenden konjunkturellen Stagnationsphase im Sommer und Frühherbst 2014 begannen die Vorbereitungen für die Tarifrunde 2015. Angesichts der mäßig laufenden Weltwirtschaft rechneten viele Ökonomen für 2015 mit einem verhaltenen Wirtschaftswachstum von nur 1,5 Prozent. Für die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie hieß das, dass die Spielräume für die Entgeltrunde 2015 klein waren.
Die Tarifrunde startete im November 2014 mit der offiziellen Übermittlung der Tarifforderung durch die IG Metall. Dabei legte die Gewerkschaft ihren Schwerpunkt auf drei wesentliche Forderungen: eine Tabellenerhöhung von 5,5 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten, eine verbesserte Altersteilzeit sowie Ansprüche
auf Zuschüsse zur Bildungsteilzeit. Entsprechend wurden die bestehenden Tarifverträge von der Gewerkschaft in allen Regionen aufgekündigt. Zugleich erklärte sie die drei Themen Entgelt, Altersteilzeit und Bildungsteilzeit zu einem „untrennbaren Paket“.
Bereits in der zweiten Verhandlungsrunde unterbreiteten die Arbeitgeber einen Lösungsvorschlag. Das Angebot bestand aus einer Tabellenerhöhung um 2,2 Prozent – angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der globalen Risiken ein für die Arbeitgeber gerade noch verkraftbares Lohnplus. Das sah die IG Metall jedoch anders. Wiederholt rief sie zu Warnstreiks auf. Bereits vor dem ersten Gespräch nutzte die Gewerkschaft dieses Instrument als Drohmittel – so erreichte man 2015 eine neue Qualität in der Auseinandersetzung.
Die Einigung
Nach intensiven Verhandlungen und einem zähen Ringen übernahmen VME und IG Metall am 26. Februar 2015 schließlich die Ergebnisse es Pilotabschlusses in Baden-Württemberg und einigten sich auf einen neuen Entgelttarifvertrag. Die Kernpunkte darin: eine Laufzeit von 15 Monaten, eine Einmalzahlung von 150 Euro (Auszubildende 55 Euro) für die Monate Januar bis März 2015 und eine Erhöhung der Tarifentgelte und Ausbildungsvergütungen um 3,4 Prozent für weitere zwölf Monate ab April 2015. Dabei wurde für den Entgelttarifvertrag und das Vergütungsabkommen für Auszubildende ein Kündigungsausschluss bis 31. März 2016 vereinbart.
Auch zum flexiblen Übergang in die Rente wurde ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen, der die veränderten gesetzlichen und demografischen Bedingungen berücksichtigt. Zudem wurde der Tarifvertrag Bildung an den betrieblichen Qualifizierungsbedarf angepasst.
Für viele Unternehmen war die Höhe des Abschlusses äußerst schwierig. „Beim Entgelt geht der Kompromiss an die Grenze dessen, was unsere Unternehmen verkraften können“, kommentierte VME-Verhandlungsführer Stefan Moschko den Tarifabschluss. Vor allem für die kleinen und mittleren Firmen bedeute die Erhöhung eine deutliche Belastung in konjunkturell unsicherer Zeit. „Dafür haben wir unsere Kernziele bei den qualitativen Themen fast komplett erreicht“, befand Moschko weiter.
Altersteilzeit und Weiterbildung
Bei den qualitativen Themen „Altersteilzeit“ und „Weiterbildung“ fanden die Tarifpartner vertretbare Lösungen. So stehen bei der vereinbarten Modernisierung der Altersteilzeit besonders belastete Beschäftige im Vordergrund. Eine generelle Ausweitung der Altersteilzeit, die viele Betriebe ohne Frage überfordert hätte, gab es dagegen nicht. Insgesamt bleibt der Anspruch auf maximal vier Prozent der Beschäftigten eines Betriebes begrenzt. Die Finanzierung der Altersteilzeit wird zukünftig in einem neuen Tarifvertrag Anspruchsvoraussetzungen (TV AVo) geregelt.
Durch diese Konstruktion ist es den Tarifvertragsparteien gelungen, die Rückstellungen, die die Unternehmen für Altersteilzeit bilden müssen, zu begrenzen.
Die Forderung nach einer Bildungsteilzeit für die Beschäftigten, die die Arbeitgeber bezuschussen sollten, konnte der VME abwehren – obwohl dies für die IG Metall von Beginn an im Fokus der Tarifverhandlung 2015 gestanden hatte. So hatte der Tarifabschluss 2015 schließlich seine Licht- aber auch Schattenseiten.